Der Ortsteil Daheim
ist zweifellos der große Unbekannte in unserer schönen Gemeinde. Am nordwestlichen Ende von Ahrensburg gelegen, dessen Stadtgebiet sich betritt, wenn man am Reesenbüttler Redder die Straßenseite wechselt, weiß man wohl, dass es diesen Ortsteil gibt, findet aber kaum jemals einen Grund, dort umzugehen, außer es ist Wahlzeit und man will dort um Stimmen für das eigene politische Tun werben.
Es ist ein warmer Frühlingsdonnerstag, als ich damit gegen Mittag am Eschenweg beginne. Ich habe vorab die eigene Laufstrecke geplant und auch kurz mit dem Gedanken gespielt, einen der von mir betreuten Autisten damit zu beauftragen, mir eine Route zu erstellen, auf der es zu den wenigstens Wegdoppelungen kommen wird, den Gedanken dann verworfen, weil der gute Mann Schaden daran nehmen könnte und hier am Eschenweg ist die Verteilung der Flyer auch noch einfach zu bewältigen. Das ändert sich aber gleich am Fichtenweg.
Wie ich aus ungezählten Vorbereitungen der Bauausschüsse in Erinnerung behalten habe, ist dieser Ortsteil auch das Reich der Pfeifenkopfgrundstücke und die ersten, in die es mich am Fichtenweg hineinzieht, haben eine gefühlt ewige Wegstrecke bis zu den Briefkästen, nur um dort angelangt zu lesen KEINE WERBUNG BITTE. Na toll, so mein erster Gedanke, das hättet ihr auch gleich in der Einfahrt kenntlich machen können und stelle mir den Paketdienst vor, der eine neue Waschmaschine dorthin befördert, nur um dann zu hören: „Nein, 1c ist der Eingang hinter der 3, schönen Tag noch...“
und als dritter Gedanke bin ich froh, dass ich nicht im Bauausschuss sitze und künftige Anträge aus Daheim mit Erinnerung an meine schmerzenden Füße grundsätzlich ablehnen könnte. Es gibt ja dieses Gerücht, dass eine der größeren Parteien die Verteilung in diesem Ortsteil in jedem Wahljahr auslost und der Verlierer immerhin ein paar neue Stützstrümpfe zum Geschenk erhält, aber wir wollen dem nicht voreilig glauben und auch nicht voreilig darin sein, diesen Ortsteil abzulehnen bei all der Plackerei, die er einem hier aufbürdet, wo nach und nach die Oberbekleidung im Fahrradkorb verschwindet.
Gespräche stellen sich auch ein während der Verteilung, hochwillkommen.
„Also die Politik macht derzeit alles falsch...“
„Wirklich alles?“
„Naja, beinah...“
und erklärt das dann anschaulich und vor dem Hintergrund eines langen Berufsleben im nachhaltigen Unternehmertum und eigenen Entbehrungen in der Nachkriegszeit, wobei die liebe Gemahlin schon immer um das Auto schleicht und ganz offensichtlich los möchte, aber danke für die Geduld, wir Herren zeigen diese ja auch gern vor Geschäften der Haute Couture
und Lebenserfahrung verdient es, geteilt zu werden.
Danach geht es weiter die Straßen auf und ab und in den Kieferweg hinein und immer wieder vor Briefkästen, die keine Werbung wünschen und die Frage, ob ehrenamtlich-politisches Engagement denn als solches zu verstehen ist, begegne auf den Wegen immer wieder Menschen, die mein Tun teilen, indem sie die Post oder Waren anliefern und nach einem dazu verständigenden Blicken („Gib mal mit, ich muss da eh hin...“) mir einen Weg ersparen und die typischen Pannen einer Verteilung bleiben natürlich auch nicht aus, etwa wenn ein Schwung Programmhefte über die Absperrung einer Kellertreppe rutscht oder der Wind eine heraus gerutschte FREIE WÄHLER Karte vor einem davon weht, während es aus dem Gartenbereich nach ruft: „Keine Angst, er will nur spielen...“
und nach sieben gelaufenen Stunden und auch froh, dass sich jetzt keine Gespräche mehr einstellen, denn mir geht nun ein wenig die Luft aus, ist der gesamte Ortsteil wohl versorgt und mein Fazit zu ihm ein völlig anderes, denn so entspannt, wie hier gelebt zu werden scheint, wie sich mir zeigt, trotz der verdichteten Bebauung sich so viele unterschiedliche Paradise geschaffen wurden, während der Verkehr auf Nachkriegsniveau überschaubar ist und das vorherrschende Weiß der Häuser das Sonnenlicht allüberall verteilt, oh Chapeau, liebe Daheimer, da habt ihr euch wirklich eine lebenswerte Umgebung geschaffen und dass ihr auf Anfrage auch weiterhin zu Ammersbek gehören wollt, obwohl nach über 50 Jahren des Entscheides dazu die Meinung nun eine andere sein könnte, hat mich sehr für euch eingenommen und entschuldigt es bitte, wenn ich hier für euren Ortsteil werbe, Touristenströme werden sich euch wohl auch weiterhin nicht einstellen…